Gegen Sperrung kinderpornographischer Internetseiten

Die Debatte über die richtige und erfolgreiche Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet wird sehr emotional geführt. Dies ist mehr als verständlich. Es handelt sich nicht um mehr oder weniger verfängliche Darstellungen der Sexualität Jugendlicher, sondern um Szenen der Vergewaltigung und des Quälens von Kleinkindern. Es sind Darstellungen von verabscheuungswürdigen Verbrechen.

Für uns Grüne ist klar, dass wir eine effektive und konsequente Verfolgung der Kinderpornografie im Internet befürworten.

Die Freiheit des Internets gilt es zu verteidigen. Dem Internet drohen Beschränkungen durch Staaten wie China, die grundsätzlich keine freie Kommunikation zulassen wollen. Auch weltweit agierende Firmen, die im Internetgeschäft zu hause sind, wollen die Kontrolle über die Datenautobahnen, ihre Kreuzungen und Einfahrten erringen, um damit zu Lasten einer freien Kommunikation Profit zu machen. Die Verbreitung und der Konsum von Kinderpornografie im Internet haben aber mit seiner Freiheit nichts zu tun. Deshalb kann die Sperrung von Internetseiten, die Zugang zur Kinderpornografie gewähren, nicht als ein Angriff auf die Freiheit des Internets verstanden werden.

Zensur, besonders die durch die Verfassung verbotene Vorzensur, ist der Feind der Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit. Auch in Deutschland ist die Pressefreiheit Angriffen ausgesetzt. Die freie Presse zu schützen ist ein Anliegen, dem wir uns ganz engagiert stellen. Mit Anträgen und Gesetzentwürfen haben wir dies unter Beweis gestellt. Aber die Sperrung von Internetseiten, die Kinderpornografie zeigen, ist keine Zensur und beschneidet nicht die Presse- und Meinungsfreiheit.

Wir sind dafür, die Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie effektiv und konsequent zu verfolgen. Es sind Straftaten, die auch hoch bestraft werden. Wir haben in der rot/grünen Koalition dafür gesorgt, dass Strafbarkeitslücken bei der Verbreitung von Kinderpornografie geschlossen wurden. Auch der Besitz, die Besitzverschaffung und die Nachfrage nach Kinderpornografie stehen zu recht unter Strafe. Da die Nachfrage das Angebot nährt, ist auch der Gedanke nicht falsch, auch die Nutzer von Kinderpornografie nicht ungeschoren davonkommen zu lassen.

Genau hier setzt deshalb unsere Kritik an den Vorschlägen der Großen Koalition an.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung setzt nicht bei den Betreibern von Kinderpornographie-Seiten an. Deren Verfolgung – oft in entlegenen Winkeln der Welt – ist schwierig und stößt oft auf tatsächliche Grenzen. Dennoch kann und muss er zum effektiveren Schutz der Opfer und zur Ermittlung der Täter intensiviert werden.

Die Bundesregierung wählt stattdessen den Weg, die Zugangsdienstleister zu verpflichten, potentiellen Nutzern den Zugang zu solchen Angeboten zu versperren.

Diese gewählte Technik kann den Zugang nicht verhindern, jedoch erschweren. Die geplanten Sperren sollen wirken, indem die Adressen von Kinderpornographie-Seiten nicht an die Rechner der Benutzer weitergegeben werden oder indem Daten von bestimmten Servern nicht an die Benutzer übertragen werden. Beides ist leicht zu umgehen, auch ohne Informatikdiplom. Entsprechende Anleitungen kursieren bereits im Netz. Wo ein entsprechender Wille ist, ist auch ein sehr kurzer, komfortabler Weg.

Sperren im World Wide Web treffen den harten Kern der Kinderporno-Konsumenten auch aus anderem Grunde nicht. Denn diese Szene arbeitet mit Tauschbörsen, schickt sich Fotos und Videos per Email oder nutzt schlicht die Post. Sexueller Missbrauch und die Herstellung kinderpornographischen Materials finden fast immer im privaten Umfeld statt. So treffen die Ausführungen der Familienministerin von der Leyen von einer Industrie, die über kommerzielle Angebote im Netz ihr Geld verdient, nur einen Teil des Problems.

Nach Auskunft des BKA sind 80% der Besucher dieser Seiten “Gelegenheitskonsumenten”. Sie werden nach dem Gesetzentwurf in Zukunft auf die Stoppseiten umgeleitet. Da auch heute schon Suchmaschinenbetreiber Kinderporno-Seiten aus den Suchergebnissen filtern, wird dann wohl überhaupt nur der Zufallssurfer getroffen – der über irgendwelche mehr oder weniger zwielichtigen Seiten oder legale Porno-Angebote durch Anklicken eines Links auf einer Kinderporno-Seite gelandet ist.

Wer vor dem Stoppsignal landet und auch wirklich anhält und keine Umgehung versucht, erhält allerdings – und das ist einer der Hauptkritikpunkte an diesem Gesetzesentwurf – keine Garantie, dass das Stoppen ihn vor staatlichen Maßnahmen bewahrt. Dass BKA kann sich laut Gesetzentwurf live auf die Stopp-Seite schalten und sehen, von welchen Rechnern auf gesperrte Seiten zugegriffen werden sollte. Durch die seit dem 1. Januar 2008 stattfindende Vorratsdatenspeicherung lässt sich auch nachvollziehen, um welche Nutzer es sich dabei konkret handelt. Das ist ein Mitschnitt, der einer Telefonüberwachung aufs Haar ähnelt – aber ohne richterliche Genehmigung. Es können dann auch strafrechtliche Ermittlungen folgen, weil die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht auf den Gebrauch von Kinderpornographie sieht. Das droht, wegen der Struktur der Kinderpornoszene und der Umgehbarkeit der Sperren, mehr zufällig Anwesende als aktiv nach Kinderpornographie Suchende zu treffen.

Die Erfahrungen mit Sperrlisten aus anderen Ländern warnen ebenfalls: Sie hatten oft zahlreiche Fehler und sperrten Seiten, die gar keine Kinderpornographie enthielten. Trotzdem müssten Besucher solcher Seiten – sie landen ja am Stopp-Schild – dann mit Ermittlungen rechnen.

Das Gesetz erfüllt seinen Zweck – die Bekämpfung von Kinderpornographie – also nur sehr begrenzt. Es hat aber erheblich Nebenwirkungen: Die geheim gehaltenen Sperrlisten können durch Fehler völlig legitime und legale Angebote sperren. Die Technik, einmal installiert, lässt sich auch für andere Inhalte nutzen – und manche fordern das auch schon, etwa für Tauschbörsen oder in Deutschland nicht legale Glücksspiele

Zusätzlich bestehen weitere gravierende rechtliche Bedenken.

Es wird eine Art der permanenten Beschlagnahme von Medieninhalten gesetzlich installiert, ohne jede richterliche Anordnung und ohne jedes Rechtsschutzverfahren für die Betroffenen.

Und was soll man von dem Satz in dem Entwurf halten:” Die Ausgestaltung” der Umleitung der Nutzeranfragen “bestimmt das BKA”. Noch ist ja wohl der Bundestag Gesetzgeber und nicht das Bundeskriminalamt!

Zudem halten wir den Bund nicht für zuständig. Hier hätte man den Jugendmediendienststaatsvertrag und den Rundfunkstaatsvertrag ändern müssen. Denn es geht um die Inhalte von Medien, nur dann wäre man im System geblieben. Die Argumentation der Regierung, ihre Zuständigkeit folge aus dem Recht der Wirtschaftsregulierung, überzeugt nun wirklich nicht. Es geht eindeutig um Strafverfolgung und Prävention.

Erst recht ist das BKA nicht zuständig. Nach dem Entwurf soll es im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion die Listen der zu sperrenden Seiten zusammenstellen. Auf eine entsprechende Ergänzung des BKA-Gesetzes, im Referentenentwurf noch vorgesehen, hat man nun verzichtet. Offenbar glaubt man, dass die Länder entweder nicht merken, dass das BKA hier keine Präventivkompetenzen hat, oder man vermutet, dass die Länder froh sind, dass der Bund ihnen diese schmuddelige Arbeit abnimmt.

Fazit: Das Internet ist eine faszinierende, großartige, weltweite Kommunikationsarena. Aber wir dürfen vor den dunklen Seiten nicht die Augen verschließen. Und die muss man auch benennen: Foren für Kannibalen, Bilder für Amoklauf-Faszinierte, Enthauptung von Geiseln in Großaufnahme, Bauanleitungen für Bomben: all dies ist per Mausklick abrufbar.

Dagegen allseitig mit Sperren anzugehen, brächte die Gefahr einer allgemeinen Regulierung der Inhalte des Internet. Dazu kommt, dass Tauschbörsen, Glücksspielseiten und vieles andere schon in der Diskussion ist. Wir wollen, dass illegale Angebote im Netz gezielt unterbunden und verfolgt werden. Aber wir lehnen eine umfassende Kontrolle von Surfverhalten mittels solcher Sperrsysteme ab.

Denn: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch hier gilt das Strafrecht. Aber es ist auch kein bürgerrechtsfreier Raum. Deshalb können wir das Gesetz nicht mittragen. Die Tatsache, dass der Entwurf noch in der letzten Minute komplett umgearbeitet worden ist, hat daran nichts geändert. Unser Entschließungsantrag gibt wieder, was wir kritisieren. Darüber hinaus habe ich eine persönliche Erklärung abgegeben.